Handelskammer Hamburg setzt auf "saubere" Geldanlage

Immer mehr Menschen möchten wissen, wie mit ihrem investierten Geld gearbeitet wird und entscheiden sich für mehr Nachhaltigkeit bei Finanzgeschäften. Auch bei öffentlichen Institutionen wie zum Beispiel der Handelskammer Hamburg hat ein Umdenken stattgefunden.

von Verena von Ondarza, Wirtschaftsredaktion

Peter Jensen, Mitglied im Präsidium der Handelskammer Hamburg, fasst die Anlagestrategie seines Hauses mit einem Satz zusammen: "Wir sind die Kammer for Future."

Die Handelskammer Hamburg verwaltet rund 80 Millionen Euro für die Altersvorsorge ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - Seit April 2018 ganz ohne Investitionen in Kohle. Damals haben Peter Jensen, Mitglied im Präsidium, und seine Kollegen das gesamte Anlageportfolio überprüft und Papiere, die direkt oder indirekt mit der Kohleindustrie zusammenhängen, ausgetauscht. Divestment - also Investitionen abziehen - heißt die Strategie. In Deutschland hat sie die Berliner Aktivistengruppe Urgewald bekannt gemacht. Katrin Ganswindt ist Kampaignerin und betreut dort den Bereich Klima: "Es wird viel darauf geguckt, eine grüne Industrie aufzubauen, aber gleichzeitig muss das Geld der Industrie auch abgezogen werden. Solange weiterhin Geld in die fossile Industrie gesteckt wird, wird die weiter wachsen."

Liste aller großen Kohleunternehmen weltweit veröffentlicht

Als eine Art Anleitung zum Ausstieg hat Urgewald mit einem Netzwerk internationaler Organisationen die sogenannte Coal-Exit-Liste veröffentlicht. Darin enthalten sind rund 2.500 Unternehmen weltweit, die direkt oder indirekt mit Kohle Geld verdienen, erklärt Ganswindt: "In erster Linie braucht die Kohleindustrie Geld, um neue Infrastruktur, neue Kraftwerke, neue Minen zu bauen, deswegen ist es gerade dafür besonders wichtig, jegliches frisches Kapital aus dieser Industrie abzuziehen, weil jegliches neues Kraftwerk einen CO2-intensiven Pfad für die nächsten 40 Jahre für die Energiegewinnung festlegen würden."

Handelskammer als Vorreiter für andere Unternehmen

Auf Grundlage der Liste haben große Investoren wie der norwegische Pensionsfonds, die Versicherer Axa oder Allianz ihre Anlagestrategien überarbeitet. Insgesamt, so Urgewald, wurden mit der Datenbank rund 13 Milliarden Euro umgeschichtet, ein kleiner Teil davon bei der Handelskammer Hamburg. Im Vergleich zu anderen Spielern am Finanzmarkt eine kleine Summe, aber Peter Jensen setzt trotzdem auf eine Hebelwirkung: "Für den Finanzmarkt bedeutet das nicht viel, aber die Symbolkraft kann riesig sein. Denn wenn die Handelskammer das als Vorreiter so macht, könnten viele Unternehmen auch darüber nachdenken und nachziehen."

Fünf Millionen wurden umgeschichtet

Andreas Enke, Mitglied im Innenausschuss, hat der Handelskammer den Ausstieg aus klimaschädlichen Investitionen vor zwei Jahren vorgeschlagen.

Ob die Strategie aufgeht, erfasst die Kammer allerdings nicht. Bei der Handelskammer selbst wurden seitdem gut 5 Millionen der 80 Millionen Anlagekapital umgeschichtet, sagt Andreas Enke, Mitglied im Innenausschuss der Kammer: "Im Deutschen Aktienindex ist RWE enthalten als ganz kleines Beispiel und ENBW ist im MDax. Das sind zwei Werte, die in der Coal-Exit-Liste erfasst sind. Es mussten alle Fonds verkauft werden, die die beiden Unternehmen enthalten."

Ethisch nachhaltige Kriterien

Enke hat der Handelskammer den Ausstieg vor zwei Jahren vorgeschlagen. Und er ist auch Mitinitiator eines weitergehenden Divestments, das die Handelskammer mit Beginn diesen Jahres umsetzen will: "Unser Anspruch ist es, dass die Gelder mit ethisch nachhaltigen Kriterien hinterlegt werden. Aber ist da ein reiner Ausstieg aus Kohle denn nachhaltig? Das alleine ist ein bisschen dünn. Also haben wir es ergänzt: Investitionen in Unternehmen, die Arbeitsrechts- und Menschenrechtsnormen oder Umweltschutznormen verletzen, wird es nicht mehr geben. Und auch Kernenergie, Rüstung und Kohle sind draußen."

Nordrhein-Westfalen als Vorbild

Vorbild für die neuen Anlagerichtlinien der Handelskammer ist das Land Nordrhein-Westfalen mit seiner Nachhaltigkeits-Strategie. Umgesetzt für Hamburg könnte diese Strategie deutlich mehr Geld umschichten als der reine Kohleausstieg, sagt Enke: "Man schaut alles an und wirft alles auf den Prüfstand. Und ich glaube, da wird noch sehr viel verändert werden. In den Leitlinien des UN Global Compact heißt es zum Beispiel, dass Unternehmen, die wegen Korruption oder Betrügereien verurteilt wurden, herausgenommen werden müssen. Und beim Deutschlandfonds hätten die deutschen Automobilwerte momentan wahrscheinlich schlechte Karten.

Mark-Uwe Falkenhain